Welche Kosten verursacht die künstliche Befruchtung?
von Dr. Sandra Hermes
Wenn es auf natürlichem Wege mit dem ersehnten Nachwuchs nicht klappt, greifen Paare mit Kinderwunsch häufig zur künstlichen Befruchtung. Doch dieser Weg kann kostspielig werden. Wir erklären, was die Behandlung kostet, wie viel die Versicherungen übernehmen und unter welchen Umständen Bund und Länder finanziell unterstützen. Neu: Auch Paare, die ohne Trauschein leben, können nun von der staatlichen Förderung profitieren.
Wie teuer ist eine Kinderwunschbehandlung?
Die Reproduktionsmedizin ist eine kostspielige Angelegenheit: Laut Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. (BRZ) kostet ein IVF-Behandlungszyklus zwischen 3.200 und 3.600 Euro, eine ICSI im Durchschnitt 4.500 Euro. Eine Insemination im natürlichen Zyklus schlägt mit immerhin rund 300 Euro zu Buche, bei zusätzlicher Hormongabe werden es schnell 700 Euro. Eine künstliche Befruchtung kann eine regelrechte Kostenexplosion auslösen. Denn nur die wenigsten Frauen werden schon beim ersten Versuch schwanger. Nicht selten sind drei oder vier Versuche notwendig, bis eine Eizelle erfolgreich befruchtet wurde, in die Gebärmutter eingesetzt werden konnte und sich das Kind bis zur Geburt normal entwickelt. 10.000 Euro sind auf dem Weg zum Wunschkind keine Seltenheit.
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Welche Leistungen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen?
Die Untersuchungen im Vorfeld einer künstlichen Befruchtung werden vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen. Hier geht es zuerst um die Ursachenforschung für das Ausbleiben der Schwangerschaft. Die Krankenkasse des Mannes übernimmt die Kosten der Untersuchungen des Mannes und die Kasse der Frau trägt die gynäkologische Diagnostik der Frau. Anders verhält es sich dann bei der anschließenden Kinderwunschbehandlung an sich, also den Maßnahmen zur Behandlung der Unfruchtbarkeit, wie einer IVF oder einer ICSI. Hier zahlt die gesetzliche Krankenversicherung in der Regel nicht mehr 100 Prozent.
Bei einer künstlichen Befruchtung (z.B. IVF oder ICSI) übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen maximal die Hälfte der Medikamente und der Arztkosten - und auch das nur unter bestimmten Voraussetzungen: Eine finanzielle Beteiligung für bis zu drei Versuche wird gewährt, wenn das Paar verheiratet ist, die Frau nicht älter als 40 und der Mann nicht älter als 50 Jahre alt ist, ein ausreichender Impfschutz gegen Röteln, Windpocken und Keuchhusten besteht, die Kinderlosigkeit nicht mit anderen Behandlungen zu beheben ist, nur Samen und Eizellen der Ehepartner verwendet werden und ein negativer HIV-Test vorliegt.
Wie viele Versuche von der Krankenkasse übernommen werden, hängt auch von der angewandten Methode der künstlichen Befruchtung ab. Bei der Insemination wird unterschieden: In einem natürlichen Zyklus beteiligen sich die Kassen an acht Versuchen, bei zusätzlicher Hormonbehandlung nur an dreien.
Im Fall einer Fehlgeburt werden die Kosten für einen erneuten Versuch zur Hälfte übernommen. Besteht bei den Ehepartnern nach einer Geburt ein weiterer Kinderwunsch, stehen wiederum drei Versuche zur Verfügung. Ab dem vierten Versuch muss das Paar die Kosten komplett selbst tragen. Die Kryokonservierung von Eizellen und Spermien zählt nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Seit der Kürzung der Zuzahlung in 2004 hat sich die Anzahl der Geburten nach einer künstlichen Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation (IVF) oder einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) um mehr als die Hälfte verringert. Sie sank von 17.000 auf 8.000 Geburten pro Jahr. Nach Schätzungen von Wissenschaftlern sind gut 1,5 Millionen Frauen ungewollt kinderlos - viele davon, weil sie die Kosten für eine künstliche Befruchtung nicht aufbringen können.
Was übernehmen die privaten Krankenversicherungen (PKV)?
Privat versicherte Paare sollten sich bei ihrer Krankenkasse nach den Bedingungen für eine Kostenübernahme erkundigen. Wie viel Prozent der Behandlungskosten übernommen werden, ist sehr unterschiedlich.
In der Regel werden aber die Behandlungskosten für drei Versuche übernommen. Voraussetzung dafür: Es besteht überhaupt eine hinreichende Chance auf Erfolg. Gelegentlich wird auch eine Kryokonservierung bezahlt. Nach einer Sterilisation besteht allerdings grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung. Nach drei gescheiterten Versuchen müssen auch Privatpatienten weitere Bemühungen, eine Familie zu gründen, selbst finanzieren.
Darüber hinaus gibt es weitere Besonderheiten der PKV zu beachten:
- Eine Eheschließung ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben - ein Umstand, der oft zu Auseinandersetzungen mit den Versicherern führt. Noch immer schreiben auch einige Landesärztekammern den Medizinern vor, derartige Behandlungen nur bei verheirateten Paaren vorzunehmen.
- Eine feste Altersgrenze gibt es nicht. Die Behandlung wird auch bei über 40-Jährigen vergütet - vorausgesetzt, dass noch gute bis sehr gute Chancen für den Eintritt einer Schwangerschaft gegeben sind.
- Ein Mindestalter der Frau gibt es ebenfalls nicht.
- Für den Mann existiert keinerlei Altersbegrenzung.
Staatliche Förderung auch für unverheiratete Paare
Das Bundesfamilienministerium möchte die Anzahl der Geburten nach einer künstlichen Befruchtung erhöhen. Seit Januar 2016 können auch unverheiratete Paare finanziell unterstützt werden, wenn sie mithilfe der Reproduktionsmedizin schwanger werden wollen. Dazu wurde die Bundesförderrichtlinie zur "Unterstützung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion" geändert, wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig bekannt gab. „Der Kinderwunsch von Eltern darf nicht am Geld scheitern. Aus diesem Grund müssen wir Paare mit unerfülltem Kinderwunsch unterstützen - egal, ob sie verheiratet sind oder nicht. Es ist nicht mehr zeitgemäß, unverheiratete Paare mit unerfülltem Kinderwunsch anders zu behandeln als Verheiratete. Deshalb öffne ich die Richtlinie, damit auch Paare, die ohne Trauschein leben, Unterstützung erhalten können", erklärte die Bundesfamilienministerin.
Gesetzliche Krankenkassen zahlen weiterhin nur für Verheiratete
Die neue staatliche Unterstützung ist für unverheiratete Paare zwar eine Hilfe. Einen größeren Effekt auf die Geburtenstatistik hätte allerdings eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Eine solche ist aber nach einem Urteil des Bundessozialgerichts im November 2014 auch zukünftig nicht in Aussicht.
Die Familienministerin kritisierte die Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren. Es sei ungerecht, so Manuela Schwesig, dass die Behandlungskosten größtenteils von den unverheirateten Paaren selbst getragen werden müssen. "Für viele sind die Kosten nicht zu finanzieren. Deshalb müssten diese von den Krankenkassen übernommen werden. Solange dies nicht der Fall ist, möchte ich gemeinsam mit den Bundesländern diesen Paaren helfen."
Förderung nur in bestimmten Bundesländern möglich
Leider ist die Förderung an den Wohnort des Paares gebunden. Ehepaare und nichteheliche Lebensgemeinschaften von Mann und Frau, die eine Kinderwunschbehandlung planen, können künftig einen Zuschuss vom Bund erhalten, wenn:
- sich das Wohnsitzbundesland mit einem eigenen Landesförderprogramm in entsprechender Hinsicht finanziell beteiligt,
- sie ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben,
- sie eine reproduktionsmedizinische Einrichtung im Wohnsitzbundesland nutzen,
- sie eine IVF-Behandlung (In-vitro-Fertilisation) oder ICSI-Behandlung (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) durchführen wollen,
- und im Übrigen die weiteren Voraussetzungen nach § 27a SGB V erfüllt werden, wie insbesondere die Altersbegrenzung (Alter der Frau zwischen 25 und 40, Alter des Mannes zwischen 25 und 50 Jahren) und die ausschließliche Verwendung von Ei- und Samenzellen der Partner.
Folgende Bundesländer haben bisher ein Landesförderprogramm für ungewollt kinderlose Paare aufgelegt: Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Paare mit Kinderwunsch, die in einem anderen Bundesland wohnen, können also auch weiterhin nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Aktuelle Informationen findest Du im Informationsportal Kinderwunsch des Bundesfamilienministeriums.
Wie hoch ist die staatliche Förderung?
Paaren, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft leben, werden zukünftig Zuwendungen für die erste bis dritte Behandlung in Höhe von bis zu 12,5 Prozent und für die vierte Behandlung in Höhe von bis zu 25 Prozent des Selbstkostenanteils gewährt. Hintergrund dieser Differenzierung ist, dass bei verheirateten Paaren beim ersten bis dritten Versuch 50 Prozent der Gesamtkosten der Behandlung durch die Krankenversicherung abgedeckt sind und somit die Bundeszuwendung bei allen vier Versuchen bezogen auf den verbleibenden Eigenanteil erfolgt (in Höhe von bis zu 25 Prozent). Unterm Strich ist die staatliche Förderung also für alle gleich hoch. Der Zuschuss des Bundes muss vor Beginn der Behandlung mit dem hierfür vorgesehenen Antragsformular beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Das Antragsformular erhalten Paare von ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin.
Manche Krankenkassen zahlen mehr
Einige gesetzliche Krankenkassen gehen mit ihren Zuschüssen über den Leistungskatalog der GKV hinaus und übernehmen einen höheren prozentualen Anteil oder erweitern die Altersgrenzen. So tragen die AOK Hessen und die Bergische Krankenkasse, die BKK B. Braun 100 Prozent der Behandlungskosten bei den ersten drei Behandlungszyklen. Andere Krankenkassen gewähren 75 Prozent oder zahlen einmalige Zuschüsse, wenn beide Partner bei der betreffenden Kasse versichert sind. Ist eine Kinderwunschbehandlung geplant, lohnt sich eventuell der Wechsel zu einer anderen Krankenkasse. Einige Kassen, die zuvor mit einer höheren Kostenübernahme geworben hatten, haben diese in Einzelfällen wieder zurückgenommen. Vor einem Wechsel sollten die Versicherten daher genau die aktuellen Leistungskataloge studieren. Die DAK übernimmt 50 Prozent der Kosten für die künstliche Befruchtung, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind.
Zahlt die Kasse der Frau oder die des Mannes?
Gerade wenn sogenannte "gemischt versicherte Fälle" auftreten, so Monika Uszkoreit vom Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. (BRZ), wird die Frage der Kostenübernahme kompliziert.
In der Regel gilt bei den privaten Krankenkassen das Verursacherprinzip. Liegt die Ursache der Kinderlosigkeit eines Paares beim Mann, zahlt - im Rahmen des Vertrags - seine private Kasse die Behandlungen, liegt sie bei der Frau, zahlt die ihre. Die ungünstigste Konstellation tritt auf, wenn der verursachende Mann Kassenpatient ist, die privat versicherte Frau aber vollkommen gesund. Dann übernimmt keine der beiden Kassen, so Uszkoreit, und das Paar muss nahezu alle Kosten selbst tragen.
Bei schwierigen Versicherungs-Konstellationen können sich Betroffene per Mail an den BRZ wenden.
Kann die Kinderwunschbehandlung von der Steuer abgesetzt werden?
Der Bundesfinanzhof hat 2007 entschieden, dass auch unverheiratete Frauen beim Finanzamt die Kosten einer künstlichen Befruchtung steuerlich geltend machen können, da Empfängnisunfähigkeit unabhängig vom Familienstand als eine Krankheit zu betrachten ist. Eine Heilung ist keine Voraussetzung, um in der Einkommensteuererklärung die Ausgaben als "außergewöhnliche Belastung" anzugeben - es genügt, wenn sie die Erkrankung erträglicher werden lässt.
Weshalb werden die Kosten jenseits der 40 nicht übernommen?
Das Bundessozialgericht in Kassel wies 2009 die Klage einer 41-jährigen Hamburgerin ab, welche eine 50-prozentige Kostenbeteiligung ihrer künstlichen Befruchtung von ihrer gesetzlichen Krankenkasse forderte. Das Gericht argumentierte mit der zu geringen Wahrscheinlichkeit, jenseits der 40 noch schwanger zu werden.
Zusätzliche Informationen zur Kinderwunschbehandlung
Sie wünschen sich schon seit geraumer Zeit vergebens ein Kind? Hier finden Sie alle Informationen über Chancen und Risiken der modernen Reproduktionsmedizin. Im Kinderwunsch-Forum können Sie sich mit anderen Männern und Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, über Ihre Hoffnungen und Ängste austauschen!
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