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Point-of-Care-Tests: Falsch-positive Ergebnisse

Wie vertrauenswürdig erweisen sich Covid-19-Schnelltests in der Praxis?

Beginnend mit der Coronavirus-Pandemie sind sie der breiten Öffentlichkeit ein Begriff geworden: die Antigen-Schnelltests zur Detektion von SARS-CoV-2.

Quelle des Bildmaterials: Adobe Stock/pascalskwara

Aktuelles • Identifikation von SARS-CoV-2 in Nasen- und Rachenabstrichen

Im Kontext der Covid-19-Pandemie haben sich Antigen-Schnelltests für SARS-CoV-2, welche die Virusproteine in Abstrichmaterial aus dem Nasen- oder Rachenraum detektieren, als das zentrale Testverfahren für Laien etabliert.

Ein kürzlich revidierter und dabei wesentlich ausgedehnter Review mit dem Titel “Rapid, point‐of‐care antigen tests for diagnosis of SARS‐CoV‐2 infection” verschafft einen umfassenden Gesamtblick über die empirischen Belege bezüglich der Verlässlichkeit dieser Testverfahren. 

Im Falle von Antigen-Schnelltests zur Detektion von SARS-CoV-2 sind, ebenso wie bei sämtlichen anderen diagnostischen Verfahren, insbesondere zwei entscheidende Gütekriterien von Bedeutung: Die Sensitivität beschreibt den Prozentsatz real infizierter Individuen, bei denen der Test ein positives Resultat anzeigt. Die Spezifität wiederum definiert den Prozentsatz nicht infizierter Individuen, die ein negatives Testergebnis erhalten. Ein Test erweist sich als umso präziser, je dichter seine Sensitivität und Spezifität dem Idealwert von hundert Prozent kommen. Fehlerhafte Testresultate werden als falsch-positiv respektive falsch-negativ bezeichnet. Es sollte beachtet werden, dass Sensitivität und Spezifität keine unveränderlichen Größen darstellen. Vielmehr können sie infolge von Divergenzen innerhalb der untersuchten Kohorten, der konkreten Methodik der Testausführung oder der Vorgehensweise, wie die Existenz der Erkrankung jenseits des eigentlichen Testverfahrens verifiziert wird, schwanken.

Zentrale Erkenntnisse aus der Untersuchung (dem Review)

  • Die Resultate von SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests erweisen sich als besonders verlässlich, sofern Individuen mit möglichen Covid-19-Beschwerden während der initialen Krankheitswoche getestet werden. Diese Testverfahren erbringen ebenso durchaus belastbare Resultate, falls die Probanden im Vorfeld einer erwiesenermaßen infizierten Person begegnet sind. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, dass Individuen mit einem negativen Testbefund dennoch eine Infektion aufweisen (dabei handelt es sich um ein falsch-negatives Resultat). Hingegen erweisen sich Antigen-Schnelltests bei asymptomatischen Personen generell als merklich weniger verlässlich.   
  • Die Präzision der Antigen-Schnelltests differiert unter den Produkten divergierender Produzenten, während für etliche kommerziell offerierte Tests ein Mangel an hinreichender Evidenz besteht.

Die Verfasser des Reviews beabsichtigten zu ergründen, inwiefern die kommerziell angebotenen Antigen-Schnelltests eine hinreichende Präzision zur belastbaren Diagnose einer Covid-19-Infektion aufweisen und welche Differenzen sich hinsichtlich ihrer Genauigkeit bei symptomatischen versus asymptomatischen Personen ergeben. Die vorliegende Untersuchung (der Review) stützt sich auf Forschungsarbeiten, welche die Resultate industriell gefertigter Antigen-Schnelltests mit jenen von PCR-Tests auf SARS-CoV-2 komparativ analysierten. Die Testdurchführungen erfolgten entweder in klinischen Einrichtungen (Krankenhäusern), in öffentlich zugänglichen Testzentren oder im häuslichen Umfeld. Im Rahmen der berücksichtigten Studien war es möglich, sowohl symptomatische als auch asymptomatische Personen zu untersuchen. 

Insgesamt vermochte der Review 155 wissenschaftliche Studien in die Analyse zu integrieren. Die relevantesten Befunde fussen auf 152 Erhebungen, in welchen kumulativ einhunderttausendvierhundertzweiundsechzig Nasen- oder Rachenabstriche analysiert wurden; hierbei konnte Covid-19 in sechzehntausendachthundertzweiundzwanzig dieser Abstriche verifiziert werden. Im Rahmen dieser Forschungen erfolgte die Evaluation von neunundvierzig unterschiedlichen Antigentests.

Sensitivität: Für Individuen, bei denen eine SARS-CoV-2-Infektion mittels PCR verifiziert wurde, detektierten Antigentests die Infektion bei im Mittel dreiundsiebzig Prozent der symptomatischen Personen zutreffend. Die höchste Präzision zeigten die Tests, wenn ihre Anwendung innerhalb der ersten Woche nach Einsetzen der Symptome erfolgte (im Durchschnitt achtundachtzig Prozent der verifizierten Infektionen resultierten in positiven Antigentests). Dies dürfte mutmaßlich darauf zurückzuführen sein, dass die virale Last in den initialen Tagen der Krankheit am höchsten ausfällt. Für asymptomatische Individuen betrug die Sensitivität hingegen lediglich fünfundfünfzig Prozent. Geringfügig verbesserte Ergebnisse zeigten die Tests für asymptomatische Personen, welche eine Exposition mit anderweitig Infizierten erfahren hatten: Im Mittel vierundsechzig Prozent der mittels PCR verifizierten Infektionen resultierten in einem positiven Antigentest.

Spezifität: Bezugnehmend auf Individuen, die gemäß PCR-Analyse faktisch keine SARS-CoV-2-Infektion aufwiesen, indizierten über neunundneunzig Prozent der Antigentests dieses Ergebnis zutreffend, und zwar ungeachtet des Vorliegens von Symptomen. 

Variabilität der Tests: Testkits unterschiedlicher Fabrikate wiesen eine divergierende Präzision auf. Die aggregierten Resultate (synthetisiert aus mehreren Studien je Testfabrikat) für sieben Testverfahren genügten den etablierten Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Des Weiteren konformierten zwei zusätzliche Tests in jeweils einer separaten Untersuchung der WHO-Richtlinie. Es ist jedoch festzuhalten, dass kein einziger Test diesen Standard erreichte, sofern er bei asymptomatischen Personen zur Evaluation herangezogen wurde.

Welche Implikationen ergeben sich hieraus in konkreten Mengenangaben?

Mit Symptomen: Die Verlässlichkeit eines Testverfahrens ist stets auch von der vorherrschenden Infektionsinzidenz innerhalb der betreffenden Population abhängig. Basiert man die Befunde für symptomatische Individuen in der initialen Woche nach Auftreten der Beschwerden und extrapoliert diese auf eine fiktive Kohorte von eintausend symptomatischen Personen, von denen fünfzig (fünf Prozent) realiter an Covid-19 erkrankt sind, so resultieren hieraus nachstehende Ergebnisse:

  • Fünfundvierzig Personen erhielten ein positives Testergebnis für Covid-19. Davon würden fünf Individuen (elf Prozent) de facto nicht an Covid-19 leiden, was ein irrtümlich positives Resultat darstellt.   
  • Neunhundertfünfundfünfzig Personen erhielten einen negativen Covid-19-Testbefund. Aus dieser Gruppe würden zehn Individuen (ein Prozent) tatsächlich an Covid-19 erkrankt sein (ein fehlerhaft negatives Ergebnis).

Ohne Symptome: Im Fall von asymptomatischen Individuen ist die Anzahl der verifizierten Infektionen mutmaßlich erheblich geringer als bei symptomatischen Personen. Basiert man die Studienergebnisse für Individuen ohne nachweisliche Exposition gegenüber Covid-19 innerhalb einer umfangreicheren Kohorte von zehntausend asymptomatischen Personen, von denen fünfzig (ein halbes Prozent) de facto an Covid-19 erkrankt sind, so ergeben sich folgende Implikationen:

  • Zweiundsechzig Individuen erhielten einen positiven Covid-19-Testbefund. Hierbei wiesen dreißig dieser Personen (achtundvierzig Prozent) in Wirklichkeit keine Covid-19-Infektion auf (dies entspricht einem falsch-positiven Resultat).   
  • Neuntausendneunhundertachtunddreißig Individuen wurden negativ auf Covid-19 getestet. Allerdings hätten achtzehn dieser Personen (null Komma zwei Prozent) de facto Covid-19 (ein irrtümlich negatives Resultat).

Schlussfolgerung

Dies impliziert, dass ausgewählte Antigen-Schnelltests für symptomatische Personen eine ausreichende Präzision besitzen, um PCR-Tests zu substituieren, vornehmlich wenn es um die Detektion des Vorhandenseins einer Infektion geht. Sofern PCR-Kapazitäten vorhanden sind, könnten Antigen-Schnelltests darüber hinaus zur Selektion von symptomatischen Personen dienen, bei denen weitere PCR-Tests angezeigt sind, was eine Reduktion der Beanspruchung von Laboreinrichtungen zur Folge hätte. Antigen-Schnelltests erweisen sich jedoch als weniger prädestiniert, eine Infektion bei symptomatischen Individuen auszuschließen – denn Individuen, die einen negativen Antigen-Schnelltestbefund erhalten, können gleichwohl das Virus in sich tragen. 

Bei Personen, die keinerlei Covid-19-Symptome manifestieren, sind Antigen-Schnelltests als weniger exakt einzustufen. Zusätzliche Evidenz ist vonnöten bezüglich der Validität von Schnelltests bei asymptomatischen Individuen und darüber hinaus, in welchem Maße serielle Testdurchführungen die Verlässlichkeit zu steigern vermögen. Für eine Vielzahl der auf dem Markt befindlichen Testprodukte fehlt es an unabhängigen wissenschaftlichen Belegen. Daher sind verstärkt direkte komparative Studien zwischen verschiedenen Testprodukten unerlässlich, wobei die Anwender die Herstelleranleitungen strikt befolgen sollten – eine Vorgabe, die leider nicht in sämtlichen analysierten Studien eingehalten wurde. 

Ursprung: Cochrane Deutschland